Bezeichnung | Inhalt | Bezeichnung | Inhalt |
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Name: | 4/0330/19 | ||
Art: | Beschlussvorlage | ||
Datum: | 15.10.2019 | ||
Betreff: | Beteiligung der Stadt Wesel am Projekt „Liberation Route NRW" Antrag der FDP-Fraktion vom 30.10.2019 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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![]() | Vorlage 309 KB | |
![]() | Antrag FDP-Fraktion vom 30.10.19 713 KB |
Beschlussvorschlag:
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Der
Ausschuss für Kultur und Stadtmarketing beschließt als ersten Standort für eine
Hörstation die Umgebung der „Wacht am Rhein“.
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Weitere
Hörstationen sollen errichtet werden, wenn sie inhaltlich in das Konzept des
„Liberation Route NRW e.V.“ passen und eine Finanzierung durch Sponsoren
gesichert ist. Für eine touristische Verknüpfung (WeselTour) werden 3.000 € im
städtischen Haushalt für WeselMarketing zur Verfügung gestellt.
Sachdarstellung/Begründung:
Das Projekt Liberation Route ist in der letzten Sitzung des Ausschusses
für Kultur und Stadtmarketing am 8.10.2019 beraten worden. Auf die dort
ausgeführten Hintergründe zum Projekt wird verwiesen. Die Vorbereitungen für
die Aufnahme in den Verein Liberation Route NRW e.V. werden durch die
Verwaltung durchgeführt.
Die Verwaltung hat verschiedene Orte in Wesel definiert, die für die
Aufstellung einer Hörstation grundsätzlich geeignet wären. Eine vorherige
Abstimmung des Standortes mit dem Verein Liberation Route NRW e.V. ist nicht
erforderlich. Der Verein greift nur dann ein, wenn die Geschichte, welche die
Weseler Hörstation berichtet, sich zu sehr mit einer Hörstation einer
benachbarten Kommune ähnelt.
Mögliche Orte zur Aufarbeitung des Weges der Befreiung Westeuropas vom
Nationalsozialismus sind:
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An der
Wacht am Rhein
Eines der
symbolträchtigsten Fotos des alliierten Vormarsches nach Berlin zeigt
Churchill, Eisenhower (Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in
Nordwesteuropa) und Montgomery (Oberbefehlshaber der alliierten
Boden-Streitkräfte in Nordwesteuropa) auf dem Balkon an der Wacht am Rhein am
25.03.1945. Laut Eisenhower sagte Churchill hier, dass die Deutschen geschlagen
seien. Das Foto versammelt symbolisch die Spitzenfiguren des alliierten
Vormarsches.
Die
Hörstation soll die Geschichte der Befreiung Wesels erzählen. Ergänzendes
Fotomaterial soll Winston Churchill zeigen, wie er (mit Gehstock und Zigarre)
auf die Trümmer der ehemaligen Rheinbabenbrücke steigt und von dort aus mit einem
Fernglas auf die zerbombte Stadt Wesel schaut.
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Caspar-Baur-Friedhof
Der Friedhof
erinnert generell und vielschichtig an Opfer der Kriege. Die Hörstation würde
hier eine Geschichte unter dem Motto der Versöhnung erzählen.
Auf dem
Friedhof sind insgesamt 984 Kriegstote des Ersten und Zweiten Weltkrieges
bestattet. Die Kriegsgräberstätten sind unterteilt in ein Gräberfeld für 175
(zivile) Opfer der Bombardierung der Stadt am 16. und 18. Februar 1945 sowie
ein zweites Gräberfeld für Gefallene aus den beiden Weltkriegen (darunter 115
Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, drei Polen, acht Niederländer).
Die Denkmäler
auf dem Caspar-Baur-Friedhof und in der Nähe stehen in direktem Bezug zum
Thema:
o
Denkmal
für die Opfer des Bombenkrieges im Zweiten Weltkrieg: die „Trauernde Vesalia“
von Eva Brinkman erinnert an die Zerstörung der Stadt Wesel und das Leid der
Zivilbevölkerung.
o
Mahnmal
für die Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft
(Caspar-Baur-Straße/Lipperheystraße)
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Rheinpromenade/Reste
der Eisenbahnbrücke
Einer der
Hauptgründe für die Konzentration auf einen Rheinübergang bei Wesel (und die
damit zusammenhängende Zerstörung der Stadt) war die noch existierende
Eisenbahnbrücke über den Rhein. Die sich vom linken Rheinufer zurückziehende
Wehrmacht hatte die Brücke kurz vor dem Erreichen der Alliierten zerstört,
sodass der Rheinübergang per Sturmbooten, Schwimmpanzern etc. erfolgen musste.
Die Überreste der zerstörten Brücke bilden bis heute ein beeindruckendes
Panorama im Rheinvorland und erinnern an die Geschehnisse vor 75 Jahren.
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Pieta
Bislich
Im Rahmen der
Operation „Plunder“ gelangte auch Bislich in den Fokus der vorrückenden
alliierten Truppen. Hier war eine von zwei nicht in Städten endenden
Rheinquerungen zwischen Wesel und Rees vorgesehen. Am Morgen des 24. März 1945
querte eine britische Einheit den Rhein und nahm die Ortschaft ein. Bereits
heute ist die Pieta ein Gedenkort, der an den Standort einer Bailey-Bridge
erinnert. Im Deichdorfmuseum sind Teile einer Bailey-Bridge vorhanden, was eine
Seltenheit ist. Weil der Bau in Bislich technisch anspruchsvoll war, ist der
Konstrukteur Donald Coleman Bailey sogar selbst vor Ort gewesen, um den Bau zu
überwachen. Das Museum verfügt auch über beeindruckende Tagebucheinträge von
einem alliierten Soldaten, einem Wehrmachtsoldaten aus der Steiermark und von
Einheimischen aus Bislich, die sich, obgleich sie aus verschiedenen Anlässen
oder Motiven vor Ort waren, alle mit den gleichen Sorgen, Nöten und Ängsten
beschäftigen. Am Deich in Bislich ist die Brückenrampe der dritten noch im Mai
1945 errichteten Bailey-Bridge erhalten. Hier erinnert eine Pieta-Gruppe an die
Opfer des Krieges auf allen Seiten.
Die
Hörstation würde die Geschichte der Rheinüberquerung der Alliierten und ihrer
Motivation zur Befreiung Westeuropas erzählen (metaphorische Bedeutung von
Brücken).
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Schloss
und Kriegsgräberstätte Diersfordt
Das alliierte
Luftlandunternehmen „Varsity“ war die größte Luftlandeoperation im Zweiten
Weltkrieg, die innerhalb eines Tages durchgeführt wurde. Das Ziel war auch und
vor allem, den Diersfordter Wald als Bedrohung für die alliierten Bodentruppen
am Rhein auszuschalten und damit den Vormarsch nach Berlin abzusichern. Die
letzten verbliebenen deutschen Einheiten hatten sich im Diersfordter Wald
gesammelt. Das Diersfordter Schloss und die Schlosskirche wurden durch
Granatfeuer schwer beschädigt. Der Diersfordter Schlossherr, Graf von
Stolberg-Wernigerode, musste sein Schloss verlassen. Die britische
Militärregierung benötigte das Schloss als Sitz der Kommandantur des Kreises
Rees. Auf dem benachbarten Ehrenfriedhof ruhen 538 Gefallene des Zweiten
Weltkrieges, darunter 106 Unbekannte.
Eine
Hörstation am Standort der Kriegsgräberstätte Diersfordt würde die Geschichte
der alliierten Luftlandeoperationen als Teil der Befreiung Wesels erzählen.
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Innenstadt
Hier dokumentiert
sich vor allem die immense Zerstörung Wesels im Februar und März 1945. Wesel
war ein wichtiges Ziel. Sowohl als Verkehrsknotenpunkt, weil hier unter anderem
eine Eisenbahnlinie über Münster nach Berlin führte, als auch als Garnison- und
Lazarettstadt, in der sich größere Einheiten der Wehrmacht aufhielten. Zudem
hatte Hitler die Stadt wie andere Städte auch zur Festung erklärt und eigens
einen Festungskommandanten geschickt, was natürlich den militärischen Charakter
Wesels besonders betonte.
Die hier
historisch zu erzählende Geschichte wäre die der Befreiten und ihres
Schicksals, weniger eine Geschichte der Befreiung. Die bisherigen Hörstationen
in NRW erzählen ganz überwiegend aus Befreier-Perspektive, u.a. in Kranenburg
(erinnert an versprengte alliierte Fallschirmspringer) oder Weeze (erinnert an
einen Feldflugplatz der Royal Air Force).
Die
Installation einer Hörstation an einem zentralen Ort der Innenstadt, welche
ausschließlich an die Zerstörung Wesels im Februar 1945 erinnern soll, wird aktuell
aus historisch-wissenschaftlicher und touristischer Perspektive daher nicht für
notwendig erachtet. Es wird heute bereits an vielen Orten und in zahlreichen
Formaten (Info-Stelen in der Innenstadt, Bronzetafeln, Transferge(h)schichten,
Zeitfenster-App, Dauerausstellung im Willibrordi-Dom, Stadtführungen,
Informationsmaterial über Wesel u.v.m.) über die Zerstörung der Stadt
aufgeklärt. Zudem ist, wie man bei der Standortsuche für das Bronzemodell der
Innenstadt gesehen hat, der verfügbare Platz in der Innenstadt sehr begrenzt.
Zusammenfassung Team
43/Stadtarchiv und WeselMarketing
Die Verwaltung plädiert für eine Aufstellung der Hörstation an der Wacht
am Rhein, weil hier an prägnantester Stelle die alliierte Befreiung Wesels in
ihrer Gesamtheit auch mit einem symbolträchtigen und weltweit bekannten Foto zu
erzählen ist und die dahinterstehende Geschichte (Churchills Frontreise) große
Symbolkraft besitzt.
Die Wacht am Rhein ist somit ein idealer Standort für die erste von
möglichen mehreren Hörstationen in Wesel.
Weitere Standorte und deren
touristische Verknüpfung
Die Liberation Route plant eine Verknüpfung der vorhandenen
Erinnerungspunkte mit einer klassischen Wander-/Radroute durch mehrere
europäische Staaten. Aktuell liegt der Verwaltung kein Zeitplan für die
Realisierung dieses Projektes vor.
Um in der Zwischenzeit trotzdem eine Verbindung der Hörstationen zu
realisieren, schlägt die Verwaltung einen lokalen/regionalen Ansatz vor. Das
kürzlich fertiggestellte Knotenpunktsystem bietet dafür die notwendige
infrastrukturelle Grundlage. Analog zum niederländischen Vorbild sind dafür am
Niederrhein die Kreuzungs- bzw. Knotenpunkte des mit den rotweißen
Hinweisschildern markierten Radverkehrsnetzes mit einer zusätzlichen
Nummerierung versehen worden. Eine Radroute kann so auch über eine Reihenfolge
von Knotenpunktnummern geplant, dargestellt und abgefahren werden. Die
Installation von Routentäfelchen unter den Richtungspfeilen ist nicht mehr
erforderlich.
Werden mehrere Hörstationen auf Weseler Stadtgebiet umgesetzt, könnten
diese über eine weitere WeselTour verbunden werden. Bisher sind durch
WeselMarketing sechs solcher WeselTouren ausgearbeitet worden, die die Gäste
auf thematischen Wander- oder Radroutenvorschlägen zu den Sehenswürdigkeiten in
der Stadt führen und das neue Knotenpunktsystem nutzen. Eine siebte WeselTour,
die an die Geschehnisse rund um den Rheinübergang der Alliierten und das
Kriegsende anknüpft, wäre eine gute Ergänzung. Kosten für die Herstellung von
Faltblättern in deutscher, englischer und niederländischer Sprache belaufen
sich auf insgesamt 3.000 €, die im Haushalt der Stadt Wesel für 2020 zur
Verfügung gestellt werden müssten.
Eine Verknüpfung mit Hörstationen im Bereich Kleve könnte ebenfalls über
das Knotenpunktsystem erfolgen. Vorläufig sollte jedoch abgewartet werden, ob
sich kurzfristig noch weitere (Nachbar-)Kommunen am Projekt beteiligen.
Anlage:
Antrag FDP-Fraktion vom 30.10.2019